Maler um 1900 in der „Künstlerkolonie Obermenzing“, Teil II

Angela Scheibe-Jaeger
Kunstausstellung im Möbelwagen
Die beiden von August Exter ab 1893 erbauten Villenkolonien I und II waren eine bei Künstlern aller Art ein beliebter Wohnort mit großzügigen Villen und Atelier, nahe einer ländlichen reizvollen Landschaft mit Schloss Blutenburg, den malerischen Würmauen und dem nahen Dachauer Moos. Auch die gute Zuganbindung förderte den Reiz von Pasing und des angrenzenden Obermenzing. Die Maler haben sich in Vereinigungen zusammengeschlossen, tauschten sich freundschaftlich aus, auch mit ihren Pasinger Kollegen, und organisierten gemeinsame Verkaufsausstellungen. Am Pasinger Marienplatz stand in der Vorweihnachtszeit 1929 und 1931 ein Möbelwagen, der von der Spedition „Heim & Pauli“ als „zusätzliche Ausstellungsfläche“ angemietet wurde. Hier haben sich viele Künstler aus Pasing und Obermenzing präsentiert. Ihre Werke befinden sich überwiegend im Besitz von Privatleuten, wie es für die Auftragsarbeiten der Zeit um 1900 üblich war, sind also in privaten Gemächern und Kabinetten verschwunden und aus dem öffentlichen Blick geraten. Nur wenige Bilder befinden sich in Museen oder werden zum Verkauf angeboten.
In der letzten Ausgabe hatten wir versprochen, Ihnen weitere Bilder von Otto Keitel aus dem reichhaltigen Werk-Besitz seines Enkels (nicht Sohnes, wie fälschlich geschrieben) zu zeigen. Da der Künstler, der in der Hofmillerstraße lebte, tragisch früh mit 40 Jahren verstorben ist, ohne seine Werke in größerem Umfang verkaufen zu können, sind wir in der glücklichen Lage, nicht nur eine Übersicht über sein Werk zu haben, sondern auch viele Werke selbst. Otto Keitel hat nicht nur eine große Anzahl an Ölbildern geschaffen, er arbeitete auch als Radierer. Auch hier stammen seine Motive vorwiegend aus der Tierwelt.
Bekannte Maler in der Villenkolonie II
Wir wollen die Vorstellung der Obermenzinger Maler nun mit weiteren Vertretern fortsetzen:
Für den erfolgreichen Maler Carl Gussow, 1843-1907, erbaute der Architekt J. Chr. Gewinn 1898 in der ehemaligen Langwiederstraße, jetzt Alte Allee 46 ein imposantes Haus, das es heute noch gibt. Professor Gussow war ein dem Realismus zugehörenden Historien- und Genremaler sowie gefragter Porträtist. „Der Künstler hat den Weg des Historienmalers aber bald verlassen und wird bei altmeisterlicher Farbgebung der Hauptvertreter einer realistischen Malerei von harter Gegenstandstreue." Gussow ist bekannt dafür, dass er besonders kurz gearbeitete Pinsel – nach ihm Gussowpinsel benannt - binden ließ, mit denen er seine Lasuren herstellte. Der Künstler ist an zahlreichen Ausstellungen beteiligt, erhält viele Auszeichnungen und hat berühmte Schüler wie Max Klinger oder Max Liebermann. Auch heute werden seine Bilder noch gehandelt. Auf dem Friedhof bei der Kirche St. Wolfgang/Pipping wurde er beigesetzt.
Der gelernte Dekorationsmaler Franz Carl Sessig, 1854-1914, besucht erfolgreich die Akademie in München und wird mit seinen Stillleben oder Landschaften zum typischen und auch erfolgreichen Vertreter der „Münchner Schule“. Er ist etwa 20 Jahre an der Ausgestaltung von Schloss Neuschwanstein beteiligt und „kooperierte“ mit Franz v. Lenbach, dem er beim Anfertigen seiner Porträts berühmter Persönlichkeiten „aushalf“. Ebenso war er als Restaurator an den Bayrischen Staatsgemäldesammlungen tätig und wurde beamteter „Königlicher Konservator“. Er wohnt ebenfalls in der Villenkolonie II (in der heutigen Barystraße), nahe bei dem Maler Fritz Baer, den Sie in der vorigen Ausgabe kennen gelernt haben. Dort erwirbt er 1910 ein großes Grundstück und erbaut nach eigenen Plänen ein großes Haus. Es war für damalige Zeiten nach dem allerneuesten technischen Stand eingerichtet, im Garten gibt es ein Schwimmbad, ein Tauben- und Bienenhaus, Maulbeerbäume für Seidenraupen u.v.m. Auch dieses im Krieg stark zerstörte Haus besteht noch. Der viel beschäftigte Maler und Konservator stirbt 60jährig und ist auf dem Obermenzinger Friedhof begraben.
Freifrau Eugenie von Schacky (1884 -1965) ist mit dem Bildhauer Georg Mattes verheiratet, den Sie in unserer nächsten Ausgabe kennen lernen werden. Bis 1929, der Geburt ihrer Tochter, ist sie als Malerin und Bildhauerin tätig. Ihr Werk besteht aus Bildern und Lithographien mit religiösen und anderen Motiven, aber auch mit Entwürfen für bayerische Briefmarken und Werbegrafiken hat sich Eugenie von Schacky erfolgreich beschäftigt. Sie malte „sehr genau bis ins letzte Detail, fast konnte man ihre Blumen riechen … “ wie es eine Zeitung 1920 beschrieb. Das Ehepaar bewohnt seit 1900 in der Rubensstraße 1 eine riesige, für das Künstlerpaar erbaute und mit großem Atelier ausgestattete Villa „im Fachwerkstil“, die es heute noch zu sehen gibt.
In der Villenkolonie II wohnt um die Jahrhundertwende ein weiterer berühmter Vertreter der Malerzunft, der Jugendstilkünstler Richard Riemerschmid. Zwischen 1868 und 1907 baut er sich nach eigenen Entwürfen ein großes Haus („prachtvoller Jugendstilbau“) mit einem Anbau in der Lützowstraße 11. Es hat 19 Zimmer und liegt in einem großen Park. Leider konnte es vor ein paar Jahren von der Stadt nicht angekauft werden. Riemerschmid gilt als der Wegbereiter der modernen Bewegung ”Kunst und Handwerk” und des Jugendstils. Er studiert an der Akademie der bildenden Künste und ist mit 22 Jahren „freier Kunstmaler“ in München. Diese Berufsbezeichnung behält der Künstler bis 1900 bei. Dann entdeckt er seine neue Passion als Baumeister, Innenarchitekt und Möbeldesigner und gibt nach dem Bau des Münchner Schauspielhauses 1901 die Malerei völlig auf. Berühmter Malersohn in der Villenkolonie I
Der allseits bekannte Franz Marc (1880 – 1916), einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts und Mitbegründer des Expressionismus, wird als Sohn des Malers Wilhelm Marc geboren und lebt bis etwa 1904 im Elternhaus in der Flossmannstraße 33. Schon in früher Jugend macht der naturverbundene Franz mit den Malerfreunden seines Vaters Ausflüge ins Dachauer Moos, begleitet von seinem kleinen Hund, beginnt hier sein erstes Skizzenbuch und beschäftigt sich ebenfalls mit den typischen konventionellen Motiven, geprägt vom stimmungsschweren Naturalismus. Eigentlich sollte er Theologie und Philosophie studieren, beginnt aber im Herbst 1900 das Studium der Malerei an der Münchner Akademie, während er noch in Obermenzing lebt. Das Haus in der Villenkolonie I steht leider nicht mehr. Unser Bild „Moorhütten im Dachauer Moos” aus dem Jahr 1902 ist in dem typischen Stil der “Münchner Schule” gehalten, in dem schon sein Vater arbeitete: Dunkelfarbige Grundstimmung, Ton-in-Ton und dem Freilicht-Naturalismus verbunden. Nach 1904 zieht Franz in sein Atelier in der Kaulbachstraße 68.
Sein Vater Wilhelm Marc (1839 1907) absolviert nach dem Jurastudium die Königliche Akademie der Künste, arbeitet als Interieur-, Genre- und Landschaftsmaler und ist als Professor für Malerei an der Münchner Akademie tätig. Er hatte die „kleine Villa mit Gärtchen“ in der Flossmannstraße von seinem damaligen Nachbarn August Exter mit eingebautem Atelier bauen lassen. Sein Grab liegt in St. Wolfgang, Pipping.
Der in Prag geborene Kunstmaler, Maler, Entwerfer u. Kunstgewerbler Otto Tragy, 1866-1928, studiert in München an der Münchner Akademie und lebt in Obermenzing. Das große Haus in der Marsopstraße 10, Ecke Chopinstraße (ehem. Prinzregentenstraße 10) am Kanal wird 1898 von August Exter für den Maler als Wohnhaus mit Atelier erbaut; hier finden viele Künstlertreffs und kulturelle Veranstaltungen statt. Tragy lebt darin 30 Jahre bis zu seinem Tod. 1964 wird das Haus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Der Künstler, Mitglied der Pasinger Künstlergemeinschaft, arbeitet in mehreren Stilrichtungen; im Pasinger Ebenböck-Haus hängt die abgebildete „Dame am Spiegel“. Tragy war hauptsächlich ein Porträtmaler mit „feinen koloristischen Akkorden und vornehmer musikalischer Empfindungsweise“, wie der Würmtalbote in seinem Nachruf am 9. Januar 1928 schrieb.
1889 zieht der „Genremaler“ Otto Piltz (1846 – 1910) mit seiner Familie nach München, 1893 erfolgt der Umzug in die Orthstraße 3. Sein von Exter erbautes Haus wurde vor wenigen Jahren vereinfacht renoviert. In München schließt sich der Maler ländlicher Genreszenen 1893 der Künstlervereinigung Sezession an. Er hat die "Hellmalerei", das Spiel mit dem Licht, zu großer Reife gebracht. Piltz beteiligt sich u.a. an den jährlichen Kunstausstellungen im Münchner Glaspalast. Mit dem jungen Franz Marc machte er Ausflüge ins Dachauer Moos und verfolgte dessen künstlerische und persönliche Entwicklung bis zu seinem Tod 1910.
Die Orthstraße wurde 1948 nach dem Maler Karl (oder Carl) Christian Adam Orth (1869 – 1942) benannt, der sich in der damals noch Arnulfstraße genannten Straße als Landschaftsmaler niederließ. 1897 ließ er zusammen mit seiner Schwiegermutter ein eigenes Doppelhaus an der Ecke Chopinstraße erbauen. Er wird Schüler, Freund und (bis dessen Umzug in die Villenkolonie II) Nachbar von Professor Fritz Baer, der im letzten Heft vorgestellt wurde.
Orths Lieblingsmotiv für seine Ölgemälde mit Landschaften waren Schloss Blutenburg und die Würmauen. Da er sich den neuen moderneren Kunstrichtungen verschloss – er bevorzugte den Impressionismus -, gehen die Verkäufe seiner Werke zurück. Durch den 1. Weltkrieg und eine Erkrankung wurde er gezwungen, sich neue Arbeitsmöglichkeiten bzw. Geldquellen zu erschließen, was sehr mühsam war. Orth gilt auch als Wohltäter der Armen, hat sich in mehreren Vereinen und Projekten engagiert, auch für die Verschönerung der Kolonie I. 1942 stirbt er an einem Schlaganfall. Madonnenmaler auf dem Obermenzinger Friedhof
Auch der Maler Hans Huber-Sulzemoos, 1873- 1951, studiert an der Münchner Akademie. Ab 1914 sind seine Kinderbilder, Blumenbilder und Landschaften auch im Münchner Glaspalast vertreten, wo dann später viele seiner bedeutenden Werke verbrannten. Der „Maler deutschen Gemütes – ein feinsinniger Madonnenmaler“ pflegt hauptsächlich die christliche Kunst. Der Künstler findet im Friedhof an der Bergsonstraße in Obermenzing seine letzte Ruhestätte, wo er anlässlich des Todes seiner Ehefrau Elisabeth im Jahre 1929 das Madonnenbild nahe des Friedhofeinganges geschaffen hatte, wohl nach den Gesichtszügen seiner Gattin auf einer Kupferplatte gemalt. Das Grab wird heute von der Landeshauptstadt München gepflegt, es trägt aber keine Inschrift mehr.
Bildhauer in der Obermenzinger Künstlerkolonie um 1900